Die Form eines Haiku
BA Visual Communication Project
2023
semester
Was ich bei üblichen deutschen Gedichten schätze, ist die Möglichkeit, mich vollkommen in das Geschriebene hineinzufühlen, sei es durch das Erwähnen bekannter Bilder, Szenen, Geräusche oder Gefühle, ich mochte es eine Zeit lang, Gedichte mit verfälschter Wahrnehmung so gut es geht fühlen zu können, und das war möglich durch die ganzen beschreibenden Adjektive die diese beinhalteten. Das Haiku jedoch besitzt weniger Solcher, und trotzdem habe ich das Gefühl für drei Verse dort zu sein, wo ich nicht bin, und zu fühlen, was geschrieben ist. Zusammenhanglose und doch zusammenhängende Worte sind überall, nicht immer sind sie in Worte verfasst, doch die in Haiku beschriebenen Momente sind reale Momente, realer als die in von mir geliebten deutschen Gedichten Vorkommende. Diese Idee einer dreiversigen realitätsnahen Illusion, die nirgends anfängt und nirgends endet und doch ein Gefühl vermittelt, möchte ich in Bildern darstellen.
Das Gegenstück zu einem Gedicht mit zu vielen Worten ist ein Bild mit zu vielen Details, zu viel Hintergrundrauschen könnte man sagen. Das Haiku als eine simplere Form lässt sich darstellen durch eine andere Art Bild als wir sie üblicherweise kennen. Beispielsweise das einer Sofortbildkamera. Denn es ähnelt einem großen Bild, nur dass es buchstäblich eine begrenzte Größe hat, es ist nicht digital und bearbeitbar, es ist fertig sobald es rauskommt und sagt erstmal nicht viel aus, denn dafür fehlt die Zeit (denn noch entwickelt der Film, als) auch der Platz. Die Darstellung der Farben ist nicht beeinflussbar, anders als bei einem digital erstellten Bild, die Helligkeit ist nicht einstellbar, alles was das Bild darstellt, ist, was die Kamera in diesem Moment einfangen konnte, nicht mehr und vielleicht weniger. Manchmal sind solche Bilder ästhetisch ansprechend, manchmal nicht. Sie alle tragen das gleiche Format, jedes Bild hat den gleichen Rand, die Bilder einer Sofortbildkamera sind eine seltene Art einen Moment wirklich einfangen zu können, mit oft einem Objekt, aber ohne die Möglichkeit zu beeinflussen wie es dargestellt wird und wie der Hintergrund wahrgenommen wird.
Dann spielt da noch die Eigenschaft des Filmes eine Rolle. Der Moment, der eingefangen wird, ist abhängig davon dass der Film funktioniert, tut er es nicht, ist der Film verschwendet und der Moment verloren.
Meine Mission war es also nun, Die Form eines Haiku zu übertragen aus der Welt des Geschriebenen in die Welt des Bildlichen/Visuellen. Dafür habe ich Mehreres getan:
Ich habe jegliches Hintergrundrauschen versucht zu unterdrücken, da auf einem Polaroid Film der
Kamera „Polaroid GO“ ohnehin nicht viel Platz vorhanden ist, und ein Haiku an sich auch nicht mehr preisgibt, als nötig. Dafür habe ich mich entschlossen, die Fotos nachts zu schießen.
Ich habe ebenfalls 17 Bilder geschossen, die die 17 in einem Haiku vorhandenen Silben, bzw. „Moren“ darstellen sollten, die wurden dann auch unterteilt in 5 Moren/Bilder im ersten Vers, 7 im zweiten, und wieder 5 im dritten. Auch wurden alle Bilder angeordnet wie man es mit japanischen Zeichen machen würde, nämlich nicht von links nach rechts, sondern von oben nach unten.
Jedes Bild sollte etwas darstellen und/oder Raum für Interpretation lassen, während alle 17 Filme zusammen genau das selbe tun sollten, nur in einer deutlicheren Form. Die Zuschauer sollen sehen, dass die Filme in der Form eines Haiku angeordnet sind und ein Gesamtbild schaffen, während sie dabei nichts festes aussagen, und bei genauerem Hinsehen und Nachdenken wird klar, dass auch jeder Film für sich ein Haiku darstellt: Die Darstellung eines Momentes, ohne viel Details und mit genug Raum um zu denken anzuregen warum dieses Bild geschossen wurde, was es aussagen soll, unter welchen Umständen dies alles geschah.
Das Haiku wird also dargestellt durch die Anordnung aller Bilder zusammen, jedes einzelne Bild selbst, vermittelt ein ähnliches Gefühl von sowohl klarer Darstellung des Inhaltes als auch Ziellosigkeit und Verlorenheit von Gedanken und Botschaft. Und es versteckt sich noch etwas, nämlich ein tatsächliches Haiku, von dem der Zuschauer jedoch nichts wissen soll. Es lautet:
Dunkelheit kein Licht.
Laterne warm auf Asphalt,
Nass in gelbem Schein.
Jedes Bild stellt also nicht nur die Form eines Haiku dar, sondern auch eine Silbe dieses echten vorhandenen Haikus, bzw. tut jedes Bild das so gut es geht.
Schließlich sind es ganz viele unfertige Geschichten die trotzdem dieselbe Botschaft vermitteln wie das länger brauchende Endresultat, das ist mmn. vergleichbar mit Haikus und langen Gedichten, die im Endeffekt dieselbe Nachricht übermitteln, bzw. im Kern gleich sind.
Ich weiß das jedes Haiku verschieden ist, aber sie alle (fast alle) beschreiben Aspekte der Natur und besitzen auch eine gleiche Form. Ich will also nicht jede Silbe in perfekte Rekreationen durch Bilder umwandeln, sondern viel mehr versuchen „das Haiku“ darzustellen, als Bedeutungsträger/Medium, aber eben durch ein anderes, komplett anderes Medium/ Den Film.
Diese Darstellung war ursprünglich geplant durch die Verwendung von entwickeltem Tonband, allerdings finde ich diese Darstellung viel ansprechender, da sich doch mehr erkennen lässt und sich durch das Vorhandensein besser erkennbarer Bilder die Mission meines Projektes viel besser darstellen lässt, weil jedes Bild getrennt ist und sowohl einzeln als auch im Gesamtbild verstanden werden kann.